Das alltägliche Objekt
Brigadetagebuch einer Jugendzahnklinik aus dem Jahr 1980
In den Brigade, in denen sich die Arbeiter:innen in den Betrieben organisierten, wurde nicht nur zusammen gearbeitet, sondern man absolvierte auch gemeinsam die Teilnahme an Veranstaltungen. Um die Erinnerung daran festzuhalten, führten die Brigaden Tagebücher, die mit viel Liebe zum Detail verziert wurden. Der hier ausgestellte Eintrag im Brigadebuch einer Jugendzahnklinik hat den ersten Mai zum Thema.
Seit der Gründung der DDR im Jahr 1949 war der erste Mai als Feiertag in der Verfassung festgeschrieben. Die Veranstaltungen rund um diesen Tag können als von der Politik angeordnete Legitimationsveranstaltungen bezeichnet werden. Das Programm war von Anfang bis Ende durchstrukturiert und die Teilnahme war für jede:n verpflichtend. Man wollte unter allen Umständen die Massen auf die Straßen locken. So nahmen ganze Belegschaften von Betrieben an den Demonstrationszügen teil, ausgerüstet mit Bannern und Plakaten.
Die Feiern standen ganz im Zeichen der Arbeit: Das Präsentieren wirtschaftlicher Erfolge und der Ansporn zur Steigerung der wirtschaftlichen Produktivität bestimmten die Kundgebungen und Demonstrationen. So verwundert es auch nicht, dass die Partei den Feiertag zum Anlass nahm, im Übermaß Auszeichnungen für überdurchschnittlichen Einsatz und wirtschaftliche Erfolge zu verteilen. Die Parteiprominenz nahm jeweils die Demonstrationen ab. In der Hauptstadt machten das die obersten SED-Funktionären.
Die Züge glichen vielerorts Militärparaden, besonders in Ostberlin. Dort führte die Nationale Volksarmee (NVA) mit Panzerkolonnen den Zug an – ganz nach sowjetischem Vorbild. Erst ab 1977, in Folge der Entspannung des Kalten Krieges, verzichtete man auf die Militärparaden.
Für die meisten Menschen blieben die Massenveranstaltung aber kein Ereignis, das sie mit Freude erwarteten, sondern vielmehr ein Pflichttermin. Mit den Jahren wurde deshalb mit Imbissbuden und Kinderkarussellen ein wenig Volksfestcharakter eingebracht. Zudem ließ man sich ein angesichts des allgemeinen Mangels willkommenes Lockmittel einfallen: Jede:r Teilnehmende erhielt eine gratis Bockwurst. Später wurde die Wurst in eine 5-Mark-Prämie umgewandelt, die nach der Demonstration im Betrieb ausgezahlt wurde.
Quellen: Deutscher Gewerkschaftsbund: „Tag der Arbeit: Geschichte des 1. Mai“. 11.04.2022, Tag der Arbeit: Geschichte des 1. Mai | DGB; NDR: „Tag der Arbeit“: Von blutigen Streiks zum Feiertag am 1. Mai“. 03.03.2023, „Tag der Arbeit“: Von blutigen Streiks zum Feiertag am 1. Mai | NDR.de – Geschichte – Chronologie; Bundeszentrale für politische Bildung: „1. Mai: Tag der Arbeit“. 22.04.2022, 1. Mai: Tag der Arbeit | Hintergrund aktuell | bpb.de; MDR: „Der 1. Mai in der DDR: Zwischen Politparade und Volksfest“. 29.04.2019, Der 1. Mai in der DDR: Zwischen Politparade und Volksfest | MDR.DE