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Ferien in der DDR – Eine Reisebroschüre aus dem Jahr 1974

Üblicherweise waren die großen Ferien in der DDR zentral für alle im Juli und August. 1951 wurde das Recht auf Urlaub in der Verfassung der DDR verankert – nicht ohne Hintergedanke: Wer gut erholt ist, arbeitet besser. Günstiger Urlaub für alle wurde von der SED propagiert. In der DDR gab es übrigens nur ein Reisebüro. Urlaub war keine Privatsache, sondern war durch die Partei geregelt. Hotels stellten eine Seltenheit dar und wer dort hin wollte, musste bereit sein, viel Geld zu bezahlen.

Ausgestellt ist eine Reisebroschüre, die unter anderem Badeurlaub an der Ostsee bewarb. Urlaub an der Ostsee war mit Einschränkungen verbunden: Private Quartiere durften wegen des Grenzgesetzes nur an Verwandte vermietet werden, das Befahren des Wassers mit dem eigenen Boot war verboten und ab 20 Uhr wurde der Strand geschlossen und Polizisten patrouillierten, um Fluchtversuche zu unterbinden. Spontan eine Unterkunft zu buchen, wo man wollte, war nicht möglich.
Für Kinder ging es üblicherweise ins Ferienlager. Zum Familienurlaub fuhren die meisten zu Verwandten, Freunden oder auf den Campingplatz. Ein Platz war nicht leicht zu bekommen und die Ausrüstung war angesichts der vorherrschenden Mangelwirtschaft rar. Begehrt waren auch Plätze in den Ferienheimen des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB). Der Feriendienst des FDGB wurde von der Partei finanziell enorm unterstützt und das gesamte Modell wurde in der Öffentlichkeit gefeiert, da es günstigen Urlaub für die ganze Familie innerhalb der DDR versprach. Aber die Plätze waren knapp und wurden durch die Abteilungs- und Betriebsgewerkschaftsleitungen zugewiesen. Als Kriterium für die Zuweisung einer Urlaubsreise galt offiziell das Bedürfnis nach Erholung. Familien wurden bevorzugt berücksichtigt. Wer sich im sozialistischen Arbeitskampf hervortat, hatte ebenfalls gute Chancen.

Nicht nur Reisen im Inland, besonders Reisen ins Ausland unterlagen einer strikten Kontrolle. Für Normalbürger:innen waren nur Reisen in den Ostblock möglich, obwohl auch dies nicht ohne weiteres zu verwirklichen war, von Reisen in den Westen ganz zu schweigen. Freizügiges Reisen war allein einer privilegierten, regimetreuen Gruppe vorbehalten, dem sogenannten Reisekader, und den Rentner:innen, auf deren Arbeitskraft der Staat nicht mehr angewiesen war. So verwundert es nicht, dass man bei den Montagsdemonstrationen in Leipzig Banner mit Slogans wie „Visafrei bis nach Hawaii“ lesen konnte und dass „Reisefreiheit“ 1989 zum Wort des Jahres gekürt wurde.

 

Quellen: Schroeder, Klaus: Die DDR. Geschichte und Strukturen. 2. Aktualis. und ergänzte Aufl. Stuttgart 2019;
MDR: FKK-Strand, Campen, Rodeln. Urlaub zu DDR-Zeiten. Veröffentlicht: 12.08.2022, URL: https://www.mdr.de/geschichte/ddr/alltag/reisen-freizeit/urlaub-ferien-fdgb-ferienheim-100.html (Zugriff: 21.06.2023);
Wolter, Heike: „Visafrei bis nach Hawaii“ Urlaubsträume, Trends und Reiseziele in der DDR. Veröffentlicht: 30.05.2018, URL: https://www.bpb.de/themen/deutschlandarchiv/269663/visafrei-bis-nach-hawaii/ (Zugriff: 21.06.2023);
Gesellschaft für deutsche Sprache e. V.: Wort des Jahres, URL: https://gfds.de/aktionen/wort-des-jahres/ (Zugriff: 21.06.2023)

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